Redebeitrag #unteilbar

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Hallo, Gesundheitsblock!

Ich spreche für das Kritische Gesundheitsplenum Leipzig. Wir sind ein Zusammenschluss verschiedenster gesundheitspolitischer Gruppen und wir freuen uns sehr, heute mit euch auf der Straße für eine solidarische und vielfältige Gesellschaft zu kämpfen.

Gesundheit braucht Solidarität.
Die Weltgesundheitsorganisation hat “Gesundheit” als einen “Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen” definiert. Und weiter heißt es: “Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“
Während der Zustand völligen Wohlbefindens nicht erreichbar ist, sind manche Menschen aufgrund ihrer Herkunft und ihren sozialen Determinanten von diesem weiter entfernt als andere. So weiß man, dass die Menschen mit dem geringsten Einkommen in Deutschland im Durchschnitt 10 gesunde Jahre weniger leben als die Reichsten. Wir wissen auch, dass der Verlust von sozialer Bindung, also gesellschaftliche Ausgrenzung, krank macht, und dass kranke Menschen ein höheres Risiko haben, ausgegrenzt zu werden.
Da Gesundheitsversorgung aber bedeutet, jeder, ausnahmslos jeder Person ihr bestmögliches psychisches und physisches Wohlbefinden zu ermöglichen, und sich also im Besonderen um Kranke und Ausgegrenzte zu kümmern, ist unbedingte Solidarität per Definition unteilbar mit Gesundheit verknüpft.

Obwohl das deutsche Gesundheitswesen eines der modernsten der Welt ist, muss festgestellt werden: es diskriminiert systematisch.
So haben Menschen mit niedrigem Einkommen und Menschen auf dem Land einen schlechteren Zugang zu medizinischer Versorgung. Frauen werden durch die derzeitige gesetzliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen ihrer Entscheidungskompetenz enthoben. Die Art der Versicherung bestimmt über Wartezeiten für Arzttermine. Menschen ohne Krankenversicherung und ohne Aufenthaltsgenehmigung wird konsequent eine adäquate Krankenversorgung verwehrt. Dies sollen nur einige Beispiele sein, um zu zeigen:
Ausgrenzung und Diskriminierung sind schon jetzt Teil unseres Gesundheitswesens.
Und wie täglich an den EU-Außengrenzen verbildlicht wird: Ausgrenzung ist tödlich.

Außerdem hat die Politik in den letzten Jahren einen verstärkten Einzug des Kapitalismus in das Gesundheitswesen ermöglicht. Das sogenannte DRG-Abrechnungssystem in Krankenhäusern setzt falsche Anreize: Während Krankenhaus-Konzernen Milliardenumsätze ermöglicht werden, kommt es zu massiven Einsparungen an Pflegepersonal und frühzeitige Entlassungen von Patienten.
Das zeigt: Wenn mit Gesundheit Profit gemacht wird, wird der Mensch an den Rand gedrängt. Menschlichkeit und Solidarität haben dann keinen Platz mehr.
Zwar sind, vor allem dank der enormen Proteste des Pflegepersonals in den letzten Jahren, diese Zustände inzwischen bekannt geworden. Die Unzufriedenheit der Menschen mit der Entwicklung des Gesundheitswesens ist aber geschaffen und nun von der AfD erkannt worden.

Auf den ersten Blick lockt sie mit vielversprechend wirkenden Forderungen, wie z.B. dem Stopp der Krankenhausprivatisierungen sowie der Bekämpfung des Pflegemangels. Statt Privatisierung und ökonomischen Wettbewerb als Probleme zu benennen, erklärt die AfD die scheinbare Übermacht Europas und die, Zitat, “aus dem Ruder gelaufenen Kosten für Migranten und Geflüchtete” als Ursache aktueller Entwicklungen.
Eine Anfrage der AfD im Bundestag zeigt, wie im Namen einer “deutschen Gesundheit” gegen Migrant*innen und Geflüchtete gehetzt wird: die Abgeordneten wollten wissen, ob sich durch innerfamiliäre Heirat in Familien mit Migrationshintergrund die Anzahl der Menschen mit Behinderung erhöht habe.
Ebenso nutzt sie die Angst vor Infektionskrankheiten, um gegen Geflüchtete zu hetzen.
Gesundheit und medizinische Versorgung werden also gezielt missbraucht, um Diskriminierung, Nationalismus und Ausgrenzung zu rechtfertigen.

Des Weiteren wird die größte Gefahr für die zukünftige globale Gesundheit, der vom Menschen verursachte Klimawandel und die damit einhergehenden Umweltkatastrophen, von der Politik ignoriert und der AfD sogar geleugnet. Diese Ignoranz wird zu millionenfachem Leiden und Flucht führen.

Die drohende weitere Spaltung der Gesellschaft und die Marginalisierung von Menschen u.a. aufgrund ihres körperlichen und geistigen Gesundheitszustandes, ihres Herkunftslandes, Sexualität oder Genders werden wir nicht akzeptieren. Jede Form der Diskriminierung steht im krassen Widerspruch zum Recht auf Gesundheit für alle und dem Ethos der Medizin.

Deswegen fordern wir ein diskriminierungsfreies Gesundheitssystem, die Integration von sozialen Determinanten in die Gesundheitsversorgung und den Einbezug von Gesundheit in alle Politikbereiche. Wir fordern die Abschaffung des Paragraphen 219a und eine gute Krankenversorgung für Menschen ohne Versicherung. Wir fordern außerdem die Abschaffung des DRG-Systems und eine bedarfsorientierte Medizin, mit der keine Profite gemacht werden.

Wir sind hier, weil es nicht mehr reicht, gute Medizin und gute Pflege zu machen. Wir sind hier, weil wir anerkennen, dass unsere sozialen Kämpfe im und um das Krankenhaus und für eine gesamtheitliche Gesundheitsversorgung unteilbar mit ökologischen sowie antirassistischen, feministischen und weiteren sozialen Kämpfen verknüpft sind. Wir sind hier, weil Ausgrenzung tötet. Wir sind hier, weil Gesundheit Solidarität braucht.

Wir werden uns weiter vernetzen, um mit euch, gemeinsam – solidarisch – unteilbar, für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft zu kämpfen.
Damit wir uns dem “Zustand völligen Wohlbefindens” gemeinsam nähern können.

Vielen Dank