Home / Schwerpunkte / Ökonomisierung im Gesundheitswesen / Bürger*innenversicherung

AG Ökonomisierung

Bürger*innenversicherung

Anfang des neuen Jahrtausends wurde ein Reformbedarf des Krankenversicherungssystems in Deutschland festgestellt. Einerseits ging es um die Kostenverteilung zwischen Arbeitgeber*- und Arbeitnehmer*innen, andererseits um die Kostenverteilung unter allen Versicherten selbst. Gleichzeitig wurde und wird immer wieder das in Deutschland bestehende duale Versicherungssystem, welches die Unterteilung der Versicherten in Private und Gesetzliche vorsieht, kritisiert.

(vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Gesundheitspolitik  / Reformbedarf in der GKV-Finanzierung 1)

Der Reformbedarf wurde, wie so häufig, auch hier mit einer  “Kostenexplosion im Gesundheitswesen” seit den 1970er Jahre begründet. Bei genauerer Betrachtung fällt aber auf, dass der Anteil der GKV-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) über die letzten Jahrzehnte schwankend zwischen 5,8% und 7,2% blieb .

Was sich allerdings in dieser Zeit veränderte, ist das beitragspflichtige Einkommen der GKV je Mitglied im Vergleich zum BIP je Erwerbstätigem. Im Vergleich 1980/2000 -> Einnahmen 100/84,32 zu BIP 100/115,22. “Die Entwicklung der Grundlohnsumme, also derjenigen Einkommen, aus denen die Beiträge für die GKV erhoben werden, ist deutlich hinter dem Wirtschaftswachstum zurückgeblieben.”2 Weiterhin wurden der GKV-Beitragssatzes für Renter*innen gesenkt und die Agentur für Arbeit überweist für Bezieher*innen von ALG II auf nicht kostendeckendem Niveau (131,31€ / Kopf / Monat [Stand 2011])

(vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Gesundheitspolitik  / Reformbedarf in der GKV-Finanzierung 2)

 

Überdies fanden nun besonders zwei Vorschläge zur Veränderung des Finanzierungssystems Eingang in die Diskussion – die Kopfpauschale / Gesundheitsprämie und die der Bürger*innenversicherung.

Kommen wir zunächst zur erstgenannten Kopfpauschale / der Gesundheitsprämie. Der von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen getragene Beitrag wird in diesem Modell durch einen ausschließlich von den Versicherten getragenen Beitrag ersetzt. Hierbei ist weder das Einkommen, noch der Gesundheitsstatus oder etwaige Risikomerkmale maßgeblich für die Beiträge. Der Arbeitgeberanteil würde zum dann geltenden Satz als Lohn ausgezahlt, künftige Erhöhungen der Krankenkassenbeiträge würden Arbeitnehmer*innen alleine tragen.

Der überproportionalen Belastung kleinerer Einkommen soll durch aus Steuermitteln finanzierten Zuschüssen begegnet werden.

Das System aus PKV und GKV soll erhalten bleiben. Auch soll der Wettbewerb durch dieses System gefördert werden, indem die Krankenkassen die Kopfpauschale selbst als absoluten Euro-Betrag festlegen können.

(vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Gesundheitspolitik  / Reformbedarf in der GKV-Finanzierung 3)

Das zweite Modell ist die sog. Bürger*innenversicherung. Das Grundkonzept hier: Alle Bürger*innen sind zu den gleichen Versicherungsbedingungen verpflichtet versichert. Diese Bedingungen unterscheiden sich dann auch nicht mehr zwischen GKV und PKV. Somit enfällt “die exit-Optin für Besserverdiende […] ebenso entfallen die Sonderzugangsrechte für Beamte und Selbstständige.”4 . Langfrisitg würde die PKV nur noch für Zusatzvesicherungen existieren und alle wären in der GKV.“

Der Beitrag derBürger*innenversicherung würde sich wie auch im jetzigen System prozentual vom Einkommen berechnen. Gravierendster Unterschied hier aber, dass jetzt auch andere Einkünfte herangezogen würden (selbstständige Arbeit, Vermietung, Verpachtung, Aktien, etc.) Je nach Modell gibt es bestimmte Freibeträge und manchmal auch Höchstbeträge.

Insgesamt erhoffen sich die Befürworter*innen eine gerechtere Finanzierung der Krankenversicherungen sowie sinkende Beiträge. Dies liegt darin begründet, dass mehr Besserverdienende in die Bürger*innenversicherung einzahlen, bei gleichzeitig niedrigerem Gesundheitsrisiken.