Stellungnahme: Spendenaktion des UKL für Madagaskar

Stellungnahme: Spendenaktion des UKL für Madagaskar
Stellungnahme von KritMed Leipzig zur Pressemitteilung "Spenden statt entsorgen: Luftpost nach Toamasina" des Universitätsklinikums Leipzig am 23. Feburar 2021, in gleichem Wortlaut auch auf Instagram und in der  l-iz.

„Eine faszinierende Pflanzen- und Tierwelt reicht nicht, sondern es bedarf der dringenden Unterstützung mit dem Nötigsten, um die Menschen in Madagaskar in das 21. Jahrhundert zu begleiten.“ so Prof. Winkler, stellvertretender Direktor der Neurochirurgie am Universitätsklinikum Leipzig. Es ist zu begrüßen, dass auch die Institution Universitätsklinikum Leipzig Verantwortung für soziale und globale Gerechtigkeit übernehmen will. Medizinische Produkte, die bei uns im Überfluss zur Verfügung stehen, sollen in anderen Ländern wie Madagaskar den Mangel daran ausgleichen. Das Engagement von Prof. Winkler und Co. klingt zunächst kaum verwerflich. Aber ob eine Spendenaktion mit medizinischen Produkten, ob das Ablaufdatum überschritten ist oder nicht, eine angemessene Hilfe aus Deutschland für Madagaskar ist, bleibt fraglich. Vielmehr erscheint die Aktion – und auch der Text, mit dem die Aktion veröffentlich wurde – im Begriff von White Saviorism: Zumeist weiße Menschen erheben sich zu Weltretter*innen und zu Helfenden in dem Glauben, ihre Hilfe sei anderen Ländern dringend notwendig. Da der Karton auf dem hinzugefügten Foto die Aufschrift „Afrika“ trägt, nicht den Namen des bestimmten Krankenhauses in Madagaskar, scheint für Herrn Prof. Winkler dieser Kontinent eine homogene, „unterentwickelte“ und hilfsbedürftige Region zu sein, welche diese Hilfe benötigt und dankend entgegen nehmen werde. Selbst wenn dies so wäre, mit einem solchen Post scheint es weniger um die Unterstützung, sondern mehr um die Inszinierung als gütige Lebensretter*innen zu gehen.
Auch ohne diese Inszinierung fehlt im Narrativ der Spende außerdem eine differenzierte Auseinandersetzung mit der eigenen Machtposition und mit dem historischen Kontext der Kolonisierung Madagaskars durch europäische Mächte. Es wäre wünschenswert, dass sich das Universitätsklinikum Leipzig über ebenbürtige und gemeinsame Kooperationen Gedanken macht, die der historischen Verantwortung und Schuld jahrhundertelanger Ausbeutung des afrikanischen Kontinents und seiner Bevölkerung gerecht werden. Der sogenannte „Sprung ins 21. Jahrhundert“, so wie ihn sich Prof. Winkler vorstellt, also: eine Angleichung an unsere „westliche“ Welt, fußt letztlich genau auf der historischen Tradition des Kolonialismus. Sich in der Generösität der Helfenden zu baden, weil mit kleinem Aufwand abgelaufene Medizinprodukte gespendet werden, wird dem Anspruch auf Reparationen für kolonisierte und ausgebeutete Menschen nicht gerecht.